Dr. Werner Neuer (evang. Pfarrer und Dozent für systematische Theologie, Schallbach) Zu Ihrer Gedenktagung für Dr. Rudolf Ehmann grüße ich alle Teilnehmer der Jahrestagung Katholischer Ärzte der Schweiz recht herzlich und in innerer Verbundenheit. Gerne wäre ich persönlich anwesend gewesen, was aber aufgrund äußerer Umstände nicht möglich ist. Der schmerzliche Tod von Rudolf Ehmann ist ein schwerwiegender Verlust für die Christenheit und vor allem für die Lebensrechtsbewegung im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Ich hatte als evangelischer Theologe das Vorrecht, seine Arbeit seit über 30 Jahren unterstützen zu können. In dieser Zeit ist zwischen uns eine persönliche Freundschaft entstanden, die mir sehr kostbar war und bleiben wird. Rudolf Ehmann war nicht nur ein engagierter christlicher Arzt, sondern auch ein ethisch ungewöhnlich geradliniger und menschenfreundlicher Mediziner, dessen gesamtes ärztliches Wirken in der unbedingten Wertschätzung eines jedes menschlichen Lebens wurzelte und einer umfassenden „Kultur des Lebens“ verpflichtet war. Ich möchte drei Aspekte aus seinem Wirken besonders hervorheben: 1.Rudolf Ehmann war ein konsequenter Gegner jeder Form von Abtreibung Dass Rudolf Ehmann sich als christlicher Gynäkologe nie zu einer Abtreibung bereitgefunden hat, obwohl die Abtreibung längst zu den gesellschaftlich weithin tolerierten oder gar akzeptierten Methoden medizinischen Handelns geworden war, mag mancher Christ für selbstverständlich halten. Denn die Kirche Jesu Christi hat von Anfang an bis heute deutlich gemacht hat, dass sich eine Abtreibung mit dem „Evangelium des Lebens“ von Jesus Christus nicht verträgt. Für einen heutigen Gynäkologen ist eine strikte Ablehnung der Abtreibung im Gehorsam gegenüber Gottes Gebot „Du sollst nicht töten“ aber keineswegs mehr selbstverständlich, da schon in der Ausbildung zum Facharzt für Gynäkologie, erst Recht aber bei der Berufsausübung eine Bejahung oder wenigstens Tolerierung der Abtreibung erwartet wird. Wer als Gynäkologe oder gar als Chefarzt für Gynäkologie an einem Kantonsspital Abtreibung konsequent ablehnt, setzt in der heute herrschenden Kultur des Todes ein tapferes Zeichen, denn er muss mit zahlreichen Anfeindungen und Pressionen rechnen. Auch Rudolf Ehmann musste dies erfahren, obwohl er zunächst gerade wegen seiner Ablehnung der Abtreibung zum Chefarzt im Kantonsspital in Stans gewählt worden war – eine Tätigkeit, die er von 1984 bis 2006 mit beachtlicher Resonanz bei den Patientinnen und bei den Kolleginnen bzw. Kollegen ausgeübt hat, von denen er 40 in Gynäkologie und Geburtshilfe ausbildete! Leider konnte Rudolf Ehmann das Kantonsspital zu seinem tiefen Schmerz nicht mehr vor Abtreibungen schützen, nachdem 2002 die Schweizer Bevölkerung mehrheitlich für die Fristenlösung gestimmt hatte und die Einführung von Abtreibungen gegen seinen Willen auch in Stans erfolgte. Dass Rudolf Ehmann bei seiner Weigerung blieb, wurde nur widerwillig respektiert. Mit seiner konsequenten Verweigerung der Abtreibung trotz massiver öffentlicher Wider-stände hat er ein bleibendes Vorbild für christliches Arzttum und eine wahrhaft humane hippokratische Medizin hinterlassen, an dem sich auch zukünftige Generationen orientieren können! 2. Rudolf Ehmann war ein konsequenter Gegner jeder Form von Nidationshemmung Die Anfeindungen, denen Rudolf Ehmann ausgesetzt war, wurden heftig, als er in den 1980er Jahren dazu überging, keine nidationshemmenden Verhütungsmittel mehr zu verschreiben. Dies war für die heutige permissive Gesellschaft, die im Gebrauch von Verhütungsmitteln ein selbstverständliches Recht der mündigen Bürgerin sieht, ein enormes Ärgernis! Auch hier hielt Rudolf Ehmann allen Versuchen stand, ihn zu Kompromissen zu verleiten. In diese Anfangszeit fällt auch meine Verbindung zu Rudolf Ehmann. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals einen Brief erhielt von der Oberärztin und engen Mitarbeiterin von Rudolf Ehmann Frau Dr. Grüniger. Ich hatte 1985 in der Zeitschrift Medizin und Ideologie einen Aufsatz über „Die frühabtreibende Wirkung der Pille“ veröffentlicht mit zahlreichen wissen-schaftlichen Belegen, um deren Kopie mich Frau Grüniger bat. Später erfuhr ich, dass Rudolf Ehmann – vermutlich als einziger Chefarzt für Gynäkologie im deutschsprachigen Raum! – ab 1987 keine „Pille“ mehr verschrieb, nachdem er zur Gewißheit gelangt war, dass alle Arten der Ovulationshemmer eine nidationshemmende Wirkung hatten und schon deshalb ethisch nicht akzeptabel sind, wenn man – wie Rudolf Ehmann – den Beginn menschlichen Lebens in der Empfängnis sieht. Für Rudolf Ehmann war es theologisch, philosophisch und humanembryologisch keine Frage, dass die unbedingte Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens mit der Empfängnis beginnt. Ein Chefarzt für Gynäkologie, der nicht nur Abtreibungen konsequent verweigert, sondern auch alle nidationshemmenden Verhütungsmittel wie „Pille“ und „Spirale“, war und ist bis heute eine ungeheuere Provokation! Es ist daher nicht verwunderlich, dass Rudolf Ehmann „z.T. heftige Angriffe … vor allem in den Medien, aber auch seitens der Kollegen, bis hin zur Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe erfuhr. Angesichts dessen verdient Rudolf Ehmanns Haltung uneingeschränkten Res-pekt und Bewunderung. Es ist dringend zu hoffen, dass sich in Zukunft noch viele Mediziner die Haltung Rudolf Ehmanns zu eigen machen. 3. Rudolf Ehmann war ein überzeugter Befürworter der Enzyklika HUMANAE VITAE und der natürlichen Empfängnisregelung. So unbestechlich, konsequent und unabhängig von menschlicher Zustimmung Rudolf Ehmann seinen von vielen angefeindeten Weg ging, so war er doch kein einsamer Kämpfer für das gute Anliegen: Er suchte und fand Freunde und Unterstützer, die seine Auffassung teilten und ihn in seinem Weg bestätigten. Die wohl größte Unterstützung fand er in der Kirche und ihrem Zeugnis für das „Evangelium des Lebens“, insbesondere in der Enzyklika HUMANAE VITAE, deren Inhalt er als geradezu prophetisch erkannte und deren Wahrheitsanspruch er öffentlich überzeugt und überzeugend verteidigte. Durch seinen Einsatz für eine natürliche Empfängnisregelung zeigte er, dass die Enzyklika nicht nur vor einer falschen Lebensweise warnt, sondern einen guten, schöpfungsgemäßen Weg weist, in dem Glaube, Hoffnung und Liebe zur Geltung gelangen. Rudolf Ehmann bot eine wohltuende Alternative zu jenen, leider nicht wenigen Theologen, die das Dokument von Papst Paul VI. leider kritisierten oder gar heftig bekämpften. Die Gewissheit, letztlich nicht nur für wesentliche Anliegen eines ganzheitlich verstandenen ärztlichen Berufsethos, sondern für die Wahrheit des Evangeliums einzutreten, machten ihn zu einem unerschrockenen Zeugen der Wahrheit, Seine Stimme fand trotz ihrer z.T. unpopulären Botschaft mehr und mehr Gehör, zumal er sie nicht in einer fanatischen Selbstgewissheit, sondern in einer ungemein bescheidenen, zutiefst demütigen und menschlich-gewinnenden Weise erhob. Seine Vorträge und Publikationen unterstrichen die Wahrheit seines Zeugnisses durch ihre wissenschaftliche Fundiertheit und die Seriosität ihrer Folgerungen. Seine Stimme wird uns aufgrund seines unverhofft frühen Heimganges schmerzlich fehlen! Umso dankbarer sind wir für sein Lebenszeugnis! Es bleibt zu hoffen, dass seinem Wirken noch jene Tiefen- und Breitenwirkung geschenkt werden möge, die ihm trotz mannigfacher Wertschätzung zu Lebzeiten vielfach auch im Raum der Kirche leider versagt geblieben ist, Dazu möge Ihre Tagung das ihre beitragen! Rudolf Ehmann war inmitten einer lebensfeindlichen "Kultur des Todes" ein eindrucksvoller Pionier im konsequenten Zeugnis für die Gutheit, Schönheit und unverlierbare Würde des menschlichen Lebens. Möge sein Zeugnis für eine Kultur des Lebens, der Liebe und wahrhafter Menschlichkeit noch reiche Frucht bringen! |